Neues Vergaberecht im Oberschwellenbereich seit dem 18.04.2016 in Kraft

Neues Vergaberecht im Oberschwellenbereich seit dem 18.04.2016 in Kraft

Nachdem bereits im Dezember 2011 die Richtlinienentwürfe der Europäischen Kommission zur Änderung des europäischen Vergaberechts vorlagen, endete am 18.04.2016 die Frist zur Umsetzung der Richtlinien 2014/24/EU, 2014/25/EU und 2014/23/EU für die Mitgliedsstaaten. Pünktlich zum Ablauf dieser Frist trat in Deutschland das neue Vergaberecht im Oberschwellenbereich in Kraft.

Der deutsche Gesetzgeber nahm die Richtlinien zum Anlass, das Vergaberecht im Oberschwellenbereich umfassend zu reformieren und neu zu strukturieren. Gleichwohl dient die Reform zunächst nur der Richtlinienumsetzung. In einem weiteren zweiten Schritt soll geprüft werden, ob und wie die Vergabevorschriften im Unterschwellenbereich angepasst werden.

Das erlassene Modernisierungspaket bestehend aus dem Vergaberechtsmodernisierungsgesetz und der Vergaberechtsmodernisierungsverordnung sieht Änderungen im 4. Teil des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (GWB) sowie der Vergaberechtsverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO) und der neuen Konzessionsvergabeverordnung (KonzVgV) und Vergabestatistikverordnung (VergStatVO) vor.

Im Einzelnen:

I.          Ziele der Reform

Die Regelungen für die Vergabeverfahren sollen entsprechend den aktuellen Bedürfnissen des europäischen Binnenmarktes weiterentwickelt und innerhalb der Europäischen Union stärker vereinheitlicht werden. Außerdem sollen für die Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der europäischen Vorgaben neue Handlungsspielräume geschaffen werden. Nach der Vorstellung des Unionsgesetzgebers werden die Vergabeverfahren durch die Neuregelungen effizienter, einfacher und flexibler gestaltet sowie die Teilnahme kleiner und mittlerer Unternehmen erleichtert. Ferner soll der öffentliche Auftraggeber im Rahmen der Beschaffung die Möglichkeit haben, strategische Ziele - wie soziale innovative Aspekte - besser umzusetzen.

II.         Neue Struktur des Oberschwellenbereichs

Aufgrund des sich an den vorstehenden Zielen orientierenden Modernisierungspaketes ergeben sich umfangreiche strukturelle Änderungen. Im 4. Abschnitt des GWB wurden Regelungen zum Ablauf des Vergabeverfahrens neu aufgenommen. In der VgV sind die Einzelheiten zu den Verfahrensarten ausführlich geregelt. Die VOL/A – 2. Abschnitt und die VOF sind entfallen – die entsprechenden Regelungen befinden sich nun in der VgV. Neu sind die VergStatVO sowie die KonzVgV. Insbesondere die Vergabestatistikverordnung soll ermöglichen, dass künftig das öffentliche Auftragswesen weiter optimiert werden kann, indem öffentliche Auftraggeber künftig Angaben über ihre Beschaffungen an die europäische Kommission übermitteln müssen.

III.        Änderungen im GWB

Ausdrücklich geregelt ist nunmehr die Möglichkeit für öffentliche Auftraggeber, strategische Ziele wie qualitative, soziale, umweltbezogene und nachhaltige Aspekte im Rahmen der Beschaffung zu berücksichtigen, § 97 Abs. 3 GWB.

Ferner wurden die bisher strittigen Anforderungen an die Zulässigkeit der vergabefreien Auftragserteilung an mit dem öffentlichen Auftraggeber verbundene Unternehmen (Inhouse-Vergabe) normiert, § 108 GWB.

Neu sind die Kriterien an die Eignung der Unternehmen in §§ 122ff. GWB geregelt. Bieter sind demnach zwingend vom Vergabeverfahren auszuschließen, wenn sie Steuerschulden haben oder Sozialversicherungsbeiträge nicht erbrachten. Ein neu hinzugekommener fakultativer Ausschlussgrund ist die erhebliche Schlechtleistung eines Bieters bei einem vorherigen Auftrag.

Auch die bisher umstrittenen Anforderungen an eine vergabefreie Vertragsänderung sind in § 132 GWB neu geregelt und durch eine De-Minimis-Regelung ergänzt.

§ 133 GWB enthält eine neue Regelung zu vergabespezifischen Kündigungsmöglichkeiten.

Das Ziel des europäischen Gesetzgebers, das Vergabeverfahren effizienter und flexibler zu gestalten, soll insbesondere durch die Verpflichtung, künftig nur noch elektronisch zu kommunizieren, erreicht werden, § 97 Abs. 5 i.V.m. §§ 9ff. VgV. Auch die neu eingeführte Einheitliche Elektronische Eigenerklärung (EEE), § 50 VgV, dient diesem Zweck.

Im Bereich des Nachprüfungsverfahrens, §§ 155ff. GWB, ist eine wesentliche Neuerung die Festlegung der Rügefrist für Bieter in § 160 Abs. 3 GWB. Bislang galt die Maßgabe, dass Rügen unverzüglich zu erheben sind. Die mit dieser Regelung einhergehende Unsicherheit wurde beseitigt, indem der Gesetzgeber eine Rügefrist von zehn Kalendertagen verbindlich festlegte.

IV.       Änderungen der VgV

Die VgV konkretisiert und präzisiert die im GWB angelegten Verfahrensschritte.

Darüber hinaus regelt § 60 VgV nunmehr, dass besonders niedrige Angebote vom Auftraggeber aufzuklären sind. Gemäß § 56 VgV muss der Auftraggeber fehlerhafte, unvollständige oder fehlende unternehmensbezogene Unterlagen nachfordern. Fehlende leistungsbezogene Unterlagen darf der Auftraggeber nachfordern. Solche Unterlagen, die die Zuschlagskriterien betreffen, dürfen grundsätzlich nicht nachgefordert werden.

In § 7 VgV wurde eine Regelung zum Umgang mit sogenannten Projektanten aufgenommen. Teilweise wurde bislang gefordert, dass vorbefasste Unternehmen im Rahmen des sich anschließenden Vergabeverfahrens ausgeschlossen werden müssen. Nach der Neuregelung ist der Auftraggeber lediglich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Unternehmens nicht verzerrt wird. Ein Ausschluss der Projektanten ist hingegen ausdrücklich nicht erforderlich.

V.        Ausblick: Änderungen im Unterschwellenbereich und Anpassungen im Oberschwellenbereich     

Es ist zwar angedacht, auch die Regelungen für den Bereich unterhalb der maßgeblichen Schwellenwerte zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, bislang gibt es allerdings noch keine konkreten Maßnahmen in dieser Richtung. Dies gilt insbesondere für eine etwaige Neuregelung bzw. Korrektur der VOB/A.

Durch die neu eingeführte VergStatVO soll außerdem auch künftig überprüft werden, ob das Vergaberecht entsprechend der Bedürfnisse und der tatsächlichen Gegebenheiten weiter angepasst, vereinfacht und effizienter gestaltet werden kann. Weitere Anpassungen sind daher auch im Oberschwellenbereich wahrscheinlich.

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